Obwohl die Traditionelle Chinesische Tiermedizin in der westlichen Welt noch relativ neu ist, wurde dieses medizinische System in China schon seit tausenden von Jahren benutzt, um Tiere zu behandeln. Im Grunde ist es eine Übertragung und Anpassung der Traditionellen Chinesischen Medizin zur Behandlung der Menschen auf die Tiere. Kurz gesagt gründet sich das gesamte Gebäude der chinesischen Medizin in Theorie und Praxis auf die Philosophie des Taoismus.
Obwohl seine Geschichte über Jahrtausende zurück verfolgt werden kann, wird auch diese Medizin, wie jedes andere medizinische System auch, täglich weiter entwickelt und aktuelle Forschungen über die Akupunktur und die Kräutermedizin bringen bereits etwas Licht in die Wirkweise dieser Medizin.
Die Theorie der chinesischen Medizin
Die chinesische Medizintheorie basiert auf der taoistischen Weltsicht, daß der Körper ein Mikrokosmos des grösseren, umgebenden Universums ist. Daraus folgt, daß die kosmischen Gesetze und Kräfte, die das Universum regieren, auch das Innere des Körpers regiert.
So, wie die Lebensenergie oder "Qi" eine innere Kraft des Universums ist, so ist das "Qi" auch eine angeborene Kraft des Körpers mit allen seinen Aktionen und Veränderungen.
Die "Yin - Yang - Theorie", welche ein zentraler Punkt in der taoistischen Philosophie ist, hat auch in der chinesischen Medizin eine herausragende Bedeutung: diese Theorie beschreibt, wie sich die gegensätzlichen Kräfte des Universums - Licht und Dunkelheit, Hitze und Kälte usw. - wechselseitig hervorbringen und verändern und spielt damit eine Schlüsselrolle in der Charakterisierung normaler, physiologischer Abläufe und Krankheit.
Die alten Chinesen beobachteten eine jährlichen Zyklus von fünf Jahreszeiten - Frühling, Sommer, Spätsommer, Herbst und Winter - welche sie mit den "Wu Xing", oder den Fünf Elementen, verbanden. Diese Elemente sind Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. So wie die Erde diese Jahreszeiten durchläuft, so verläuft auch das Leben in diesen fünf Phasen.
So gesehen, ist ein kleiner Hundewelpe in seiner Holzphase (Frühling) des Lebens, während von einer alten Stute gesagt werden kann, daß sie sich in ihrer Wasserphase (oder Winter) befindet.
Darüberhinaus können auch die Organe im Körper diesen fünf Phasen zugeordnet werden und diese Theorie der Fünf Elemente kann benutzt werden, um die funktionellen Beziehungen zwischen den Organen zu erklären. So ist z.B. die Niere , verbunden mit dem Element Wasser, die "Mutter" der Leber, einem Holzorgan, weil das Wasser das Holz zum Wachsen bringt.
Disharmonie und Krankheit
In der chinesischen Medizintheorie wird Krankheit verstanden als ein Ungleichgewicht im Körper und eine Diagnose erfolgt durch das Herausfinden der zugrundeliegende Disharmonie"muster".
Diese Diagnose in Mustern unterscheidet sich von der westlichen Medizin insofern, als daß nicht nur Krankheitszeichen aufgezählt werden, sondern auch Berücksichtigung findet, wie diese Zeichen zum gesamten Individuum sich verhalten.
Ein Tierarzt, der die Traditionelle Chinesische Tiermedizin ausübt, wird also z.B. das Temperament, das Geschlecht, das Alter, die Aktivität und die Umgebung eines Tieres erfassen und wie dies alles zu den einzelnen Anzeichen der Krankheit steht.
Dieser Ansatz basiert auf der Annahme, daß der gesamte Körper ein zusammenhängendes System von Kräften und Funktionen ist, sodaß die Krankheit und die Disharmonie unter Berücksichtigung des gesamten Patienten untersucht werden muss. Aus diesem Grunde wird die Chinesische Medizin oft als ganzheitlicher betrachtet, als die konventionelle westliche Medizin.
Die Vier Pfeiler der Traditionellen Chinesischen Tiermedizin
Ist einmal der Typ der Disharmonie oder der Krankheit erkannt, erfolgt die Behandlung sehr oft durch eine Kombination verschiedener Modalitäten.
Obwohl die Ausdrücke "Chinesische Medizin" und "Akupunktur" in der westlichen Welt oft gleichgesetzt werden, ist die Akupunktur nur ein Pfeiler dieser Medizin. Im Grunde gibt es in der Chinesischen Tiermedizin vier Pfeiler - Akupunktur, Kräuter, Ernährung und Tui-Na. Qi-gong, eine Form der chinesischen meditativen Übung ist zwar der fünfte Pfeiler in der Behandlung der Menschen, beim Tier kann sie jedoch nicht durchgeführt werden.
Akupunktur ist eine Behandlung, die über die Stimulieren bestimmter Punkte erfolgt, üblicherweise durch das Einstechen bestimmter Nadeln in den Körper. Gewöhnlich liegen die Akupunkturpunkte auf den sogenannten Meridianen, über die das Qi fliesst. Die meisten Akupunkturpunkte und Meridiane sind vom Menschen auf das Tier übertragen worden, aber auch bestimmte "klassische Punkte" sind für einige Tierarten beschrieben und finden in der Therapie bis auf den heutigen Tag Anwendung.
Die Chinesische Kräutermedizin benutzt Bestandteile aus Pflanzen, die in der Chinese Herbal Materia Medica aufgelistet sind. Dabei benutzt man bestimmte Kombinationen oder Formulierungen, um bestimmte Krankheitsmuster zu behandeln. Kräuter werden oral gegeben und sind bei Pferden und anderen Grosstieren in der Regel pulverisiert und bei Kleintieren sind sie zu Tabletten oder Kapseln verarbeitet.
Die Chinesische Ernährungslehre besteht aus dem Gebrauch bestimmter Diäten, um Ungleichgewichten im Körper vorzubeugen. Sie benutzt die spezielle Energie der Nahrungsbestandteile, um eine individuelle Diät auf das Tier zuzuschneiden.
Tui-Na An-Mo ist eine besondere Art der Chinesischen Massage, bei der durch bestimmte Manipulationen von Akupunkturpunkten und Meridianen die Zirkulation des Qi gefördert und die Ungleichgewichte im Organensystem ausgeglichen wird.